"Kurzbio" über Sie:
Dr. med. Uwe Rumbach studierte Humanmedizin in Leuven/Belgien, Bonn und Ann Arbor, Michigan/USA und promovierte über Tumormarker in der Krebsdiagnostik. Nach seiner Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin mit Tätigkeiten in der Notfall- und Rettungsmedizin sowie in der Sozialmedizin, ist er seit 1996 in einer hausärztlichen internistisch-allgemeinärztlichen Gemeinschaftspraxis mit seiner Frau in Alfter-Witterschlick bei Bonn niedergelassen. Daneben ist der zertifizierte Reisemediziner und ehemalige Lehrarzt der Universität Bonn als Schiffsarzt in der Hochseeschifffahrt unterwegs, betreibt eine Gelbfieberimpfstelle und beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit Impfmedizin, reisemedizinischer Gesundheitsberatung und Schutzimpfungen. Als Moderator eines hausärztlichen Qualitätszirkels führt er regelmäßig Fortbildungen zu diesen Themen für seine Kollegen durch.
10 Fragen an Dr. Rumbach
Wie lange liegt Ihre letzte Impfung zurück und wogegen haben Sie sich immunisieren lassen?
Vor Kurzem gegen die saisonale Influenza („Grippeschutzimpfung“)
Sie sind niedergelassener Hausarzt und haben tagtäglich mit Impfungen zu tun. Was stört Sie am meisten und warum haben Sie sich dazu entschieden, sich gesondert für Impfungen einzusetzen? Warum liegt Ihnen das Thema Impfungen persönlich am Herzen?
(Schutz-) Impfungen schützen als vorbeugende Maßnahmen vor einer Vielzahl von ansteckenden und bedeutsamen Infektionskrankheiten. Durch Vernachlässigung oder Ablehnung von Schutzimpfungen treten manche dieser Krankheiten leider wieder
vermehrt auf. Wir brauchen beim Thema Schutzimpfungen eine sachliche, informative und keine pseudowissenschaftliche oder dogmatische Diskussion, um Impfskeptiker und Impfgegner davon zu überzeugen, dass Impfungen zu den wichtigsten, verträglichsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen gehören.
Hier gilt es Defizite und unbegründete Ängste aufzunehmen, was mir persönlich sehr am Herzen liegt.
In Europa wird zu wenig geimpft. Gründe hierfür sind vielfältig. Unter anderem werden gefährliche Krankheiten wie die Masern oder auch Polio als harmlos oder zu selten abgetan. Dazu kommen Lieferengpässe und eine hohe Impfbürokratie. Wo sehen Sie die Kernprobleme und Hindernisse im Kampf für mehr Impfungen?
Eine Ursache der „Impfmüdigkeit“ liegt gerade in der großen Wirksamkeit von Schutzimpfungen. Zahlreiche früher weit verbreitete und gefürchtete Infektionserkrankungen haben durch die bereits erzielten Impferfolge ihren Schrecken verloren und zur Verharmlosung geführt, was wiederum zur Folge hat, dass man die Notwendigkeit für Schutzimpfungen nicht mehr richtig einschätzt und auch Ärzte diesem Thema eine untergeordnete Bedeutung beimessen. Hier gilt es alle Beteiligten besser zu informieren und auch Mediziner ausreichend für dieses Thema zu sensibilisieren, zu begeistern und - bereits im Studium - entsprechend nachhaltig auszubilden.
Was lässt sich Ihrer Meinung nach noch verbessern beim Impfgeschehen in Deutschland und was wünschen Sie sich für die Zukunft bezüglich des Impfwesens? Welche Rolle messen Sie Online-Lösungen wie beispielsweise Apps zu?
Neben der verbesserten Aufklärung in der Bevölkerung und regelmäßigen Schulungen der Ärzte müssen bürokratische Hürden und Lieferengpässe für bestimmte Impfstoffe abgebaut werden. Neue Medien können dazu dienen, Impfungen bzw. Auffrischungsimpfungen oder aktuelle Impfempfehlungen gemäß der Seuchenlage einem breiten Kreis zu vermitteln bzw. zugängig zu machen.
Sie arbeiten in einer niedergelassenen Praxis mit zahlreichen Patienten jeden Tag zusammen. Wie empfehlen Sie diesen den eigenen Impfschutz im Auge zu behalten?
Bei jedem Arzt-Patienten-Kontakt kann sehr einfach und mit wenig Zeitaufwand dessen aktueller Impfstatus überprüft und mit den jeweils gegenwärtigen Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission abgeglichen und ggf. angepasst werden. Durch Führen eines digitalen Impfpasses in der Patientenkartei kann man sich als Arzt einen schnellen Überblick darüber verschaffen.
Ich bin mir sicher, dass sich Ihre Einstellung gegenüber Impfen und Gesundheitsprävention generell durch Ihre Tätigkeit in Ihrer Praxis verändert hat. Welches waren eindrückliche Erlebnisse und was haben Sie erlebt, was Sie positiv verblüfft oder negativ schockiert hat?
Emotional sehr berührt hat mich in meiner Assistenzarztzeit auf der Intensivstation der Tod einer 14-jährigen Schülerin als Folge einer Masern–Hirnhautentzündung. Durch eine MMR-Schutzimpfung gegen Masern (Mumps und Röteln) hätte man die Erkrankung und damit deren dramatische Folge verhindern können. Was mich aber positiv beeindruckt hat war die Tatsache, dass die Eltern des verstorbenen Mädchens, welche einer Glaubensgemeinschaft angehörten, die Impfungen strikt ablehnt, unmittelbar nach dieser unvorstellbar leidvollen Erfahrung, alle ihre Kinder haben impfen lassen.
Impfpflicht in Europa: Ja oder nein?
Impfpflicht würde bedeuten, dass man sich deren Erfüllung nicht entziehen könnte. Wo überall streben mündige Bürger nach dem Recht auf Selbstbestimmung? Die Autonomie und Selbstbestimmung ist ein wichtiger Aspekt unserer Gesellschaft. Sie muss aber auch immer gleichermaßen mit Verantwortung für sich selbst, seiner Schutzbefohlenen und seiner Mitmenschen einhergehen.
Warum?
Wir müssen primär diesen Verantwortungsgedanken stärken und nicht zu aller erst Pflichten einfordern. Dazu müssen wir informieren, Vertrauen schaffen und so unbegründete Ängste abbauen. Dann besteht die Chance für selbstbestimmtes Handeln – was auch für die Anwendung von sinnvollen medizinischen Maßnahmen wie z. B. von effektiven Schutzimpfungen gelten sollte.
Was viele „Impflinge“ nicht glauben: Impfkomplikationen und –folgen sind extrem selten. Vermeidbare Krankheiten dagegen gefährlich und häufig. Haben Sie schon einmal eine Komplikation oder eine verhinderbare Krankheit erlebt?
Schwerwiegende Impfkomplikationen habe ich noch nicht erlebt, aber sehr wohl Impfreaktionen, auf welche ich vor der Impfung auch explizit hinweise. Heftiger, ein bis zwei Tage andauernder Durchfall nach einer Gelbfieberimpfung trat diese Woche in meiner Praxis bei einer jungen Patientin auf. Ein Gelbfieberausbruch mit dutzenden Toten in Brasilien Anfang 2017 relativiert aber diese unerwünschte Impfreaktion.
Unter Anbetracht der eindrücklichen Erfahrungen, die sie machen durften: Was würden Sie einem Impfkritiker in Deutschland gerne mit auf den Weg geben? Wie gehen Sie mit dogmatischen Impfgegnern um?
Impfkritiker und Impfgegner müssen ernst genommen werden. Sie haben einen sehr großen Einfluss auf unsere Patienten und deren Einstellung zum Thema Impfen. Horrorgeschichten über Impfungen halten sich hartnäckig. Aber auch wenn es nicht gelingen sollte, diese Impfgegner oder Impfskeptiker zu überzeugen, müssen wir den Patienten bzw. den Eltern unserer kleinen Patienten sachliche Argumente und wissenschaftliche Beweise vorstellen, um durch Informationen deren Ängste abzubauen. Diese Ängste sollten wir natürlich kennen. Das erfordert viel Zeit, Engagement und auch Feinfühligkeit, was aber zu unseren ärztlichen Kernaufgaben gehört.
Wissenschaft ist ein wunderbares Geschenk an die Menschheit, wir sollten sie nicht verdrehen!