„In einem Land, in dem die Lebenserwartung 47 Jahre beträgt und ich wöchentlich zu Beerdigungen gehen muss, ist jede Impfung unabdinglich.“ Starke Unterstützung für unsere Initiative: Katrin Rohde eröffnete 1996 das erste Waisenhaus in Burkina Faso, heute erreicht sie durch zahlreiche Projekte tausende Waisen- und Straßenkinder im Land. Sie hat ihre Erfahrungen in ihrem Buch „Mama Tenga“ veröffentlicht (lesenswert!) und wurde 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Wie Frau Rohde eigenständig Impfstoffe im Cockpit von Flugzeugen nach Burkina Faso gebracht hat und vieles mehr, erfahrt ihr in unserem Interview. Wir möchten die Möglichkeit nutzen und auf die Katrin-Rohde-Stiftung, sowie die Vereine Sahel e.V. und Freunde für AMPO e.V. aufmerksam machen.
Ich lasse mich impfen, weil ...
es dazu wahrhaft gar keine Alternative gibt. In einem Land, in dem die Lebenserwartung 47 Jahre beträgt ( vgl. Deutschland 80 Jahre) und ich wöchentlich zu Beerdigungen gehen muss, ist jede wichtige Impfung unabdinglich.
10 Fragen an Katrin Rohde:
Sie leben seit mehreren Jahrzehnten in Burkina Faso und haben mir berichtet, dass Sie – aus Platzmangel - immer wieder neue Seiten in Ihren Impfpass kleben müssen. Welche Impfungen sind in Burkina Faso empfohlen? Wie lange liegt Ihre letzte Impfung zurück und wogegen haben Sie sich immunisieren lassen?
Gott sei Dank habe ich einen wunderbaren Tropenarzt in Hamburg der die Übersicht hat und mich immer rechtzeitig impft! Meine letzte Impfung war Mai 2017 gegen Cholera. Ich würde nicht jedem alle diese vielen Impfungen empfehlen, denn Besucher auf Zeit kommen nicht so in direkte Berührung mit Menschen wie z.B. ich, die immer direkt mit den Menschen an der Basis arbeitet, in versifften Krankenhäusern und dreckigen Vororten oder unserer Station für unterernährte Babies. Normalerweise genügen Cholera, Tetanus (das sowieso immer!), Polio (hat man ja üblicherweise), Meningitis auf jeden Fall, plus Tollwut wenn man in entfernten Gegenden im Busch unterwegs ist. Masern und Röteln sind empfehlenswert für jüngere Menschen die diese noch nicht durchgemacht haben.
- Gelbfieber.
- Polio
- Diphterie
- Tetanus
- Typhus
- Cholera
- Tollwut
- Meningitis
- Tuberkulose
- Hepatitis A und B
Wie hält man in Afrika seinen eigenen Impfstatus immer auf dem Laufenden?
Wir selbst bei AMPO sind mit unseren ca. 250 Kindern plus aller Mitarbeiter und deren Familien immer auf Stand. Aber generell sieht es verheerend aus. Die Menschen sind arm, eine Meningitisimpfung kostet z.B. 10 Euro, das ist ungefähr ein Viertel des Gehaltes eines Nachtwächters, und der hat vielleicht 5 Kinder....vor allem liegt die Kindersterblichkeit so hoch.
Warum liegt Ihnen das Thema Impfungen persönlich am Herzen?
Ich habe einfach zuviele Menschen sterben sehen.
Berichten Sie über Ihr Engagement in Burkina Faso. Inwieweit kommen Sie bei Ihren Projekten mit gesundheitlicher Prävention (z.B. Impfungen) in Kontakt?
In unseren Waisenhäusern, unserem Frauenhaus für Mädchen unter 21 Jahren, auf unserer Biolehrfarm kommen eigentlich alle Neuen - abgesehen von Polio, das ist Pflicht - ungeimpft an. So haben wir viel zu tun bis alle durchgeimpft sind. Wir erklären natürlich auch den Kindern warum ihre Impfung so wichtig ist. Die meisten haben Todesfälle von Tuberkulose, Cholera oder Tetanus in ihrer eigenen Familie und erinnern sich daran. Dies ist eben anders als in Deutschland. Die vielen Tode hinterlassen Eindruck bei den Kindern, so sind sie einsichtig. Jedes Jahr neu haben wir vor allem Meningitisepidemien in unserem Land, immer so um den Februar herum. Es hat schon Jahre mit mehr als 2000 Toten gegeben, damals war ich Tag und Nacht in den Krankenhäusern. Teure Medikamente kann sich kaum jemand leisten. Die Kranken lagen oft draußen im Freien, man musste über sie hinwegsteigen auf dem Weg zu anderen. Die in der Nacht Gestorbenen - ob Kind, Mann oder Frau - wurden per Taxi dann am nächsten Morgen nachhause gebracht. Das ist ein einziges Elend! Auch die letztlich behinderten Überlebenden sind am Ende für die Familie eine große Belastung.
In Europa wird zu wenig geimpft. Gründe hierfür sind vielfältig. Unter anderem werden gefährliche Krankheiten wie die Masern oder auch Polio als harmlos oder zu selten abgetan. Dazu kommen Lieferengpässe und eine hohe Impfbürokratie. Viele Menschen bleiben ungeimpft. Wie ist die Situation in Afrika? Welches sind die Hürden gegen das Impfen?
Mangel an Geld, aber vor allem weit entfernt im Busch auch Angst vor Impfungen, dort ist man noch sehr traditionell eingestellt. Lieferengpässe, mangelnde Kühlketten und betrügerische Menschen die Preise verdoppeln gehören auch noch zu den Hinderungsgründen.
Was lässt sich Ihrer Meinung nach noch verbessern beim Impfgeschehen in Afrika und was wünschen Sie sich für die Zukunft bezüglich des Impfwesens? Welche Rolle spielen Online-Lösungen wie beispielsweise Apps und welche anderen Initiativen werden aktuell mit Erfolg umgesetzt?
In unserer eigenen Krankenstation behandeln wir so 60.000 arme Menschen jährlich, dort ist Impfen immer ein großes Thema. Erfolg hat unser Cinemobile, ein Vierradantrieb mit Animateuren, die in weit entfernten Dörfern Aufklärung machen zu Themen wie Aids, zu Familienvorsorge, zum Impfen, zu Hygiene. Wir haben immer noch 72% Analphabeten, d.h. man muß alles immer wörtlich vortragen und mitteilen. Zwar hat heutzutage fast ein jeder ein Handy, ich bezweifle aber, dass eine App zum Impfen in Betracht gezogen werden würde. Aber vielleicht liege ich da falsch? Ausprobieren sollte man dies. Allgemein müsste das Gesundheitsministerium viele große Aufklärungsaktionen machen.
Sie beklagen den Mangel an Kenntnissen von Europa gegenüber Afrika und umgekehrt. Was können wir in Bezug auf Impfungen und Prävention aus Afrika lernen? Was müssen wir unbedingt wissen, um in Europa beim Gesundheitsschutz weiter zu kommen?
Ich glaube da genügt ganz einfach die hohe Sterbequote der vielen Menschen die mangels einer Impfung bei uns sterben! Viele Tode könnten verhindert werden.
Ich bin mir sicher, dass sich Ihre Einstellung gegenüber Impfen und Gesundheitsprävention generell durch Ihr Engagement verändert hat. Welches waren eindrückliche Erlebnisse und was haben Sie erlebt, was Sie in Europa verpasst hätten?
Am schlimmsten war tatsächlich die grosse Meningitisepidemie in Ouagadougou. Es gab keine Impfmittel. Ich bin nach Deutschland geflogen und habe 3000 Einheiten gekauft und sie selbst auf Trockeneis nach Burkina Faso gebracht - das war ein sehr schwieriger Flug, denn diesen Transport erlaubt keine Fluggesellschaft. Ich kämpfte aber bei jedem Unsteigen, bis die Piloten selbst ein Erbarmen hatten und die Kühlboxen vorne bei sich stauten. Damit haben wir dann unsere eigenen Waisenkinder und sämtliche Kinder unseres Stadtviertels geimpft. Es gab auch keine Medikamente, ich bin dann nach Genf geflogen und habe bei der WHO nachgefragt warum wir für diesen grossen Notfall nicht unterstützt werden. Heraus kam als Wahrheit: die WHO hatte Medikamente gesendet, sie waren aber unter der Hand vom Staat teuer verkauft worden, die arme Bevölkerung selbst bekam nichts.
Unter Anbetracht der eindrücklichen Erfahrungen, die sie machen durften: Was würden Sie einem Impfkritiker in Deutschland gerne mit auf den Weg geben?
Schau hin! Vergleiche Zahlen, sieh die Wirklichkeit!
Sie haben wohl einen der interessantesten Lebensläufe, die ich kenne. Viele verbinden Ihren Namen mit Mut, Zuversicht, Hingabe und Nächstenliebe. Mit Ihren Projekten haben Sie unheimlich viele Menschen erreicht. Unter anderem wurden Sie 2001 für Ihr außerordentliches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, haben ein Buch über Ihre Erfahrungen geschrieben, zahlreiche Einrichtungen gegründet und weitere Preise und Auszeichnungen erhalten. Was ist für Sie die schönste Bezahlung für Ihren Einsatz?
Das ist keine Frage: das strahlende Lächeln unserer vielen Kinder, den leisen Dank vieler Mütter!