„…weil Impfen ein Fortschritt ist.“ Interview mit Dr. med. Dominika Pohlmann

Dr. med. Dominika Pohlmann ist Fachärztin für Augenheilkunde an der Charité, Universitätsmedizin Berlin, wo sie auch ihre klinische und wissenschaftliche Ausbildung absolvierte. Ihre experimentelle Doktorarbeit hat sie in der Immunologie bei Prof. Andreas Thiel am Berlin-Brandenburg Centrum für Regenerative Therapien (BCRT) durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen. Das Projekt ihrer Doktorarbeit: Protective Immunity Aging (PRIMAGE) war durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. 

Pohlmanns aktuelle Forschungsschwerpunkte sind weiterhin Immunologie und intraokulare Entzündungen unter der Leitung von Prof. Andreas Thiel und Prof. Pleyer. Das Clinician Scientist Programm am Berlin Institute of Health (BIH) ermöglicht ihr 50% Forschungszeit für einen Zeitrahmen von 3 Jahren.

10 Fragen an Frau Dr. med. Dominika Pohlmann, Augenärztin an der Charité in Berlin

1.    Wie lange liegt Ihre letzte Impfung zurück und wogegen haben Sie sich immunisieren lassen? Wie halten Sie Ihren eigenen Impfstatus auf dem laufenden? 

Es ist 4 Monate her. Ich habe mich in der Schwangerschaft gegen Influenza und Tetanus/Pertussis/Diphterie impfen lassen, weil es so von der STIKO empfohlen ist.

Meine Gynäkologin hat mich für die genannten Impfungen in der Schwangerschaft aufmerksam gemacht. Daraufhin habe ich die neusten STIKO Empfehlungen gelesen.

 

2.    Warum liegt Ihnen das Thema Impfungen persönlich am Herzen? Gibt es eindrückliche Ereignisse aus der Klinik, Praxis oder Privatleben?

Das Thema Impfung liegt mir am Herzen, weil ich die Impfung als einen sehr großen Fortschritt in der Medizin sehe. Im Studium im Fach „Medizinische Geschichte“ sprachen wir ausführlich über die Geschichte vom englischen Landarzt Edward Jenner und der ersten Impfung gegen Kuhpocken. Das Grundprinzip der Schutzimpfung hat mich sehr beeindruckt, da schwere Erkrankungen durch die bewusste Einführung von krankheitserregendem Material in einen gesunden Menschen verhindert werden können. So entstand mein Wunsch mehr über die Immunologie zu erfahren. Unter Prof. Thiel am Berliner Center für Regenerative Therapien hatte ich die Möglichkeit eine experimentelle Doktorarbeit in der Immunologie mit dem Thema „Charakterisierung und Kinetik der CD4+ T-Zell-Antwort nach Influenzaimpfung bei alten und jungen Erwachsenen“ durchzuführen.

 

3.    Aktuell setzen Sie sich stark für eine eigene Impfung gegen SARS-CoV-2 ein, unter anderem um Ihre Patienten in der Augenheilkunde zu schützen. Diese sind statistisch eher älter und müssen während der Untersuchung sehr nah von Ihnen an der sogenannten Spaltlampe untersucht werden. Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit COVID19 in der Klinik?

Aktuell bin ich in Elternzeit und somit nicht in der Klinik. Das heisst, dass ich meine Impfung gegen SARS-CoV-2 erst später erhalten werde. Außerdem ist eine Impfung gegen SARS-CoV-2 stillenden Müttern, aufgrund von mangelnder Studienlage, nicht empfohlen.

Aber grundsätzlich gehören die Augenärzte zu höherer Priorität, da sie einen nahen Kontakt mit dem Patienten an der Spaltlampe haben. Eine Impfung gegen SARS-CoV-2 ist daher zwingend notwendig, zumal wir auch Konsile bei schwererkrankten Patienten an SARS-CoV-2 durchführen.

 

4.    Sie sind international für Ihre Arbeiten zu autoimmunen Augen-Erkrankungen bekannt, also Erkrankungen, bei denen sich das körpereigene Immunsystem gegen Strukturen im Auge richtet. Dabei sind einige Ihrer Patienten immunsupprimiert, das heißt, das Immunsystem wird durch Medikamente heruntergefahren. Bei diesen Patienten ist eine Impfung umso wichtiger. Empfehlen Sie aktiv Schutzimpfungen für Ihre Patienten? Haben Sie Strategien, um impfkritische Patienten zu erreichen?

Ich empfehle meinen Patienten auf jeden Fall eine Impfung gegen

SARS-CoV-2. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) hat erste Empfehlungen für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ausgesprochen. Zum jetzigen Stand gibt es zwar keine Daten zur Sicherheit und Effektivität der verschiedenen SARS-CoV-2 Impfstoffen bei Patienten mit entzündliche-rheumatischen Erkrankungen bzw. Patienten unter immunsuppressiver/immunmodulierender Therapie. Grundsätzlich sind Totimpfstoffe, damit auch Vakzine auf der Grundlage nicht-replizierbarer Vektoren und mRNA, für Patienten mit entzündliche-rheumatischen Erkrankungen bzw. Patienten unter immunsuppressiver/immunmodulierender Therapie unbedenklich. Dagegen sind Lebendimpfstoffe bei diesen Patienten kontraindiziert. Unabhängig von der SARS-CoV-2 Impfung sollten Impfungen gegen Pneumokokken und vor allem gegen Influenza gemäß der STIKO erfolgen.

 

5.    Sie sind vor kurzem Mutter geworden, herzlichen Glückwunsch. Sie tragen nun die Verantwortung für einen weiteren Menschen. Hat diese Tatsache für Sie einige Dinge wieder in den Vordergrund gerückt, wie zum Beispiel präventive Schutzimpfungen? 

Vielen Dank! Nach Geburt meiner Tochter habe ich mich in der Tat über alle vorgesehenen Impfungen informiert. Die ersten Impfungen hat meine Tochter auch bereits erhalten.

 

6.    Während der Schwangerschaft wird von der STIKO unter anderem eine Impfung gegen Keuchhusten empfohlen. Nach der Geburt stehen für Ihr Neugeborenes einige Impfungen im Impfkalender. Fühlen Sie sich persönlich – unabhängig Ihrer ärztlichen Tätigkeit - ausreichend über Impfungen aufgeklärt?

Die Impfung gegen Pertussis, sowie die Influenza Impfung habe ich im 3. Trimenon durchführen lassen. Laut STIKO ist Pertussis besonders gefährlich bei Säuglingen im ersten Lebenshalbjahr. Da die Impfung erst ab dem Alter von 2 Monaten verabreicht werden kann und erst nach mindestens zwei Impfstoffdosen einen ausreichenden Schutz bietet, wird eine Pertussis Impfung während der Schwangerschaft empfohlen. Zumal auch die Antikörperkonzentration sehr niedrig ist bei schwangeren Frauen, wenn die Impfung ein bis zwei Jahre vor der Schwangerschaft zurückliegt. Erfolgt eine Auffrischung der Pertussis Impfung im frühen 3. Trimenon, können sich hohe Antikörperkonzentrationen bei der Mutter und dem Neugeborenen aufbauen. Eine Vielzahl an Studien konnte zeigen, dass dadurch die Säuglinge seltener an Pertussis erkranken.

 7.    Aus welcher Quelle beziehen Sie die meisten Informationen zum Thema Impfen? Eigene Recherche, der Kinderarzt, die STIKO oder aus dem Bekanntenkreis?  

Ich beziehe meine Informationen und Empfehlungen von der STIKO. Gegebenenfalls lese ich auch einzelne Publikationen.

 

8.    Eine indirekte Impfpflicht, wie Sie mittlerweile bei der Masernimpfung gilt, erlaubt nur geimpften Kindern den Zugang zu Kindertagesstätten, Schulen und anderen Einrichtungen. Wie stehen Sie dazu?

Ich finde es unverantwortlich seine Kinder NICHT gegen Masern impfen zu lassen. Die Impfung dient nicht nur dem individuellen Schutz, sondern auch für das Gemeinwohl der Bevölkerung. Viele Maserninfektionen mit einhergehenden Komplikationen können durch eine Impfung verhindert werden. Außerdem gelten die Impfstoffe gegen Masern in Kombination mit einem Mumps- und einer Rötel-Komponente (MMR-Impfstoff) laut der WHO als sicher. Die kursierenden Bedenken, dass durch die Impfung vermehrt chronische Darmerkrankungen, Autismus oder Meningitis auftreten, wird als unwahrscheinlich angesehen und konnte in Studien nicht belegt werden.

 

9.    Einige wenige Eltern argumentieren, dass Kinder gewisse Krankheiten noch „durchmachen“ sollen, damit das Immunsystem daran wächst. Gibt es eine Kinderkrankheit, die Sie noch durchgemacht haben, bei der Sie jetzt froh sind, dass Ihr Kind die Möglichkeit hat sich dagegen zu schützen?  

Grundsätzlich wird das Immunsystem eines Kindes durch harmlose Krankheiten wie eine Erkältung „trainiert“ und dadurch gestärkt. Aber auch Impfungen, insbesondere „aktive Impfungen“ sind ein Training, da das Immunsystem sich mit den verabreichten abgeschwächten Erregern auseinandersetzt. Durch das Impfen können vor allem schwerwiegende Folgeschäden verhindert werden.

Kurz gesagt, es ist nicht sinnvoll schwerwiegende Erkrankungen mit Komplikationen und Spätfolgen wie Masern „durchzumachen“.  Das Risiko einer Impfung ist doch viel geringer als die Infektionskrankheit selbst.

 10. Ich lasse mich impfen weil

…Impfen ein Fortschritt ist.